Anna Tatarczyk. Das Licht malen.

Anna Tatarczyk, Gipsy, 130 x 110 cm,
Acryl auf Leinwand, 2020

Über die Kunstidee von Anna Tatarczyk Was Sie hier sehen ist die Grundform eines dreidimensionalen geometrischen Körpers, dessen Seitenflächen aus Dreiecken besteht und der in unserer realen Welt mit ägyptischen Pyramiden assoziiert wird. Die optische Wirkung einer pyramidenförmigen Geometrie erzeugt Anna Tatarczyk mit Farben in verschiedenen Lichtstufen. Diese experimentelle Idee der Künstlerin folgt der europäischen kunstgeschichtlichen Entwicklung: die unermüdliche Suche nach der Perspektive.

Das perspektivische Sehen ist ein räumliches Sehen. Wir befinden und bewegen uns in einem Raum, der dreidimensional konstruiert ist. Es gibt keinen zweidimensionalen Raum, mit Ausnahme des bildnerischen Raums, der Träger eines Bildes ist. Auf diesem Bildträger bzw. Bildgrund versuchten Künstler seit der Antike, die Welt entsprechend der menschlichen Sehenserfahrung wiederzugeben. Es war stets eine Herausforderung, unter zweidimensionalen Rahmenbedingungen Dreidimensionalität darzustellen! Das räumliche Sehen des Menschen ergibt sich aus dem stereoskopischem Sehen, das sich ergibt, wenn wir mit beiden Augen unsere räumliche Umgebung bzw. Gegenstände wahrnehmen. Unsere Wahrnehmung ist ein von dem Seheindruck erzeugtes, aus den Eindrücken des rechten und des linken Auges kombiniertes Bild. Durch das stereoskopische Sehen wird das Bild vor unseren Augen dreidimensional und räumlich. Genaugenommen handelt sich bei der Kunstidee von Anna Tatarczyk um die Sichtbarmachung der optischen Technik, die unser dreidimensionales räumliches Sehen auszeichnet.

Die Optik wird auch als Lehre vom Licht bezeichnet. Durch ihre Beschäftigung mit der Wechselwirkung von Licht und Farben macht Anna Tatarczyk ihre künstlerische Idee erfahrbar. Sie nutzt den pyramidischen geometrischen Körper als Gegenstand ihrer künstlerischen Untersuchung des Verhältnisses von Licht und Farben. Eine Farbe, in die verschiedene Helligkeitsstufen hineingemischt werden, wird durch das Aufhellen hervorgehoben; im Gegensatz dazu mischt die Künstlerin der Farbe verschiedene Dunkelheitsstufen bei, um auf der Leinwand Tiefe zu erzeugen. Allein durch dieses Gestaltungsprinzip werden die Pyramiden erzeugt, die aus der Leinwand zu springen und in den Raum hinein zu treten scheinen. Optisch sind die Pyramiden gegenständlich. Sie provozieren die Augen und bringen einen zu der Überlegung, was man tatsächlich vor sich sieht.

Das Farbenmischen ist der wesentliche Teil des künstlerischen Prozesses von Anna Tatarczyk. Besonders bei der diamantähnlichen Pyramide kommt der Aspekt der vielfältigen Licht-Farbe-Wechselwirkung zu tragen. Für die Künstlerin ist dies ist ein quälender Schaffensprozess, um das physische Phänomen der Lichtbrechung durch verschiedene Leuchtkräfte der Farben zu ästhetisieren. Anna Tatarczyk verarbeitet ihre künstlerische Erfahrung von Perspektive nicht durch die Konstruktion eines Bildes, in dem Raumtiefe dargestellt wird. Sie geht vielmehr ihren eigenen Weg, auf dem sie versucht, Licht zu malen. Im Unterschied zu Impressionisten befasst Anna Tatarczyk sich bildnerisch mit dem Verhältnis des Lichts zu den Farben nicht im Rahmen einer Landschaftsdarstellung, sondern baut es in einem geometrischen Körper auf. Offenbar sind dies die Gründe, weshalb ihr künstlerischer Ausdruck, den sie in ihrer 18-jährigen künstlerischen Karriere hervorgebracht hat, reiner und klarer denn je wirkt.

Anna Tatarczyk, Savant (Kreuz l), 50 x 40 cm,
Acryl auf Leinwand, 2019
Anna Tatarczyk, Savant grün-violett, 75 x 65 cm,
Acryl auf Leinwand, 2019
Anna Tatarczyk, Savant (melange), 80 x 70 cm,
Acryl auf Leinwand, 2019

Weitere Informationen zur Künstlerin: anna-tatarczyk.de

Autorin: Xiao Xiao