ABSEITS DER METROPOLE BELEBT DIE FREIE KUNSTSZENE DIE REGION

Alles hatte mit der Suche nach Atelierräumen begonnen. Da es in Troisdorf bei Köln keine gab, hatten die Künstler Frank Baquet, Rolf Mallat, Tor Michael Sönksen und Masoud Sadedin früh den Plan entworfen, ein leer stehendes Gebäude zu nutzen, um darin funktionale Atelierräume und einen großen Ausstellungsraum einzurichten. Bis es aber tatsächlich dazu kam, vergingen über 20 Jahre des Wartens und Hoffens. Schließlich war es 2012 so weit. Nach unzähligen Gesprächen und Verhandlungen, manchem Misserfolg und einem nie enden wollenden Optimismus wurde das Kunsthaus Troisdorf eröffnet und die ursprüngliche Idee konnte Wirklichkeit werden: Ein ehemals leer stehendes Gebäude der Stadtwerke wurde gekauft und umfangreich renoviert. Ein großer Ausstellungsraum, neun Atelierräume und drei Probenräume für Musiker entstanden auf über 1.000 qm – großzügig, offen und einladend für Künstler, Kunst- und Musikfreunde.

Seitdem hat sich das Kunsthaus mit seinem auffallenden Säulenportikus an der Mülheimer Straße zu einem weithin bekannten Ort zeitgenössischer Kunst etabliert, dessen Ausstellungseröffnungen und Konzerte regelmäßig wahre Besucherströme nach Troisdorf locken. „Nicht selten kommen die Besucher von Köln und sogar Düsseldorf hierher“, sagt Frank Baquet und fügt hinzu: „Mit den zahlreichen Veranstaltungen ist das Kunsthaus inzwischen aus dem kulturellen Leben gar nicht mehr wegzudenken.“ Dem unermüdlichen Engagement des 1964 geborenen Fotokünstlers ist es maßgeblich zu verdanken, dass sich die Kulturveranstaltungen durch einen hohen künstlerischen Anspruch und eine verlässliche Professionalität auszeichnen. „Es ist von Vorteil, dass Künstler die Geschicke eines solchen Hauses leiten. Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken, dabei die Qualität von Kunst zu gewährleisten und die Bedürfnisse der regionalen wie auch überregionalen Besucher zu berücksichtigen.“ Zudem haben der vielfache Kunstpreisträger Baquet sowie die sieben weiteren Künstler, die ihre Atelierräume in der ersten Etage gemietet haben, klare Ziele vor Augen: In der Region zu arbeiten und dabei die Entwicklung der internationalen Kunstszene im Blick zu behalten. Gemeinsam schreiben sie Ausstellungsbeteiligungen aus, laden Künstler und Musiker aus ihren weltweiten Künstlernetzwerken ein und sorgen auf diese Weise für eine kraftvolle Belebung der größten Stadt im Rhein-Sieg-Kreis. Hinzu kommen Führungen, Künstlergespräche, Matinees, Lesungen und Konzerte mit zeitgenössischer und experimenteller Musik. Musikalisch setzt das Kunsthaus schon seit längerem avantgardistische Impulse. Hier haben sich u. a. Bandprojekte wie Sonic Heads und Dephaze zusammengefunden.

Ein Jazzkonzert im Kunsthaus Troisdorf

Darüber hinaus engagieren sich viele der Künstler, die in den Ateliers des Kunsthauses Troisdorf arbeiten, in der städtischen Kulturarbeit, wie etwa der 1956 geborene und 1986 aus dem Iran emigrierte Masoud Sadedin. Der kürzlich mit dem renommierten Rhein-Sieg-Kunstpreis ausgezeichnete Künster war von Anfang an bei der Gründung des Kunsthauses dabei und zeigt einmal mehr, wie sehr Kunst über alle gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede verbinden kann: „Die existenziellen Erfahrungen der Menschen ähneln sich viel mehr als man denkt. Durch die Emigration wurde mir dieser Umstand immer klarer. Heute bin ich überzeugt, dass wir Menschen nur eine ernsthafte Chance zum Überleben haben, wenn wir die nationalen und kulturellen Barrieren überwinden, voneinander und von unseren vielfältigen Fähigkeiten profitieren und unsere Kräfte bündeln.“

Kunsthaus Troisdorf, Mülheimer Str. 23, 53840 Troisdorf

So bietet der für seine rätselhaft figurativen Bilder weithin bekannt gewordene Künstler gemeinsam mit Jette Jertz, Tor Michael Sönksen, Rolf Mallat u. a. in der KreativWerkstatt Troisdorf e.V. viele Aktionen für Kinder und Erwachsene an. Zusammen wollen sie mit „Individualität und Eigensinn“ Kunst in den öffentlichen Raum bringen und einen wirkungsvollen Beitrag zur Förderung des kulturellen Images der Stadt leisten. So auch die 1985 in Troisdorf geborene Mirjam Wingender, die seit ihrem Studium der Malerei und Kulturpädagogik an der Alanus Hochschule intensiv mit Kindern und Jugendlichen in der KreativWerkstatt arbeitet. In ihrem Atelier im Kunsthaus Troisdorf kann sie anschließend umso intensiver ihre eigenen surrealen Bildkompositionen entstehen lassen. In kollegialer, ja freundschaftlicher Zusammenarbeit schaffen die so vielfach sozial und gesellschaftlich engagierten Künstler ein kreatives und produktives Umfeld, das unterschiedlichste positive Prozesse in Gang bringt.

Frank Baquet, Fotografie

Darin liegt vielleicht auch der Grund für die besondere Atmosphäre des Kunsthauses, die auch während der Ausstellungen und Veranstaltungen zu spüren ist: Hier arbeiten Künstler nicht „einfach“ nur an ihren Werken, sondern wirken tagtäglich mit ihrer künstlerischen Energie in die Gesellschaft hinein, schaffen einen wechselseitigen Austausch, der in jeder Hinsicht anregend wirkt. Ob sie nun Kindergartengruppen durch die Ausstellungen führen, ein Benefizkonzert für Flüchtlinge organisieren oder spannende Themenausstellungen ausschreiben: „Was wir machen, hat Hand und Fuß und wir arbeiten kontinuierlich daran, uns qualitativ zu steigern“, bringt Frank Baquet die Kulturarbeit des Kunsthauses auf den Punkt, während Masoud Sadedin ergänzt: „Uns Gründungsmitgliedern war diese Aufgabe immer bewusst und so haben wir versucht, die Messlatte sehr hoch zu halten. Dadurch haben wir in den vergangenen vier Jahren nach und nach ein breites Publikum erreicht, das uns gerne besucht, mit uns Gespräche führt und Freunde und Kunstinteressierte mitbringt.

Heute profitieren viele Menschen vom Kunsthaus: Lehrer, Erzieher, Angestellte, Künstler aus anderen Städten und Ländern, ansässige Firmen, Schüler – und natürlich wir Künstler.“ Der bisherige Erfolg gibt ihnen Recht. Ein neuer „Meilenstein“ ist das seit 2015 ausgelobte Atelierstipendium, bei dem einem Künstler für zwei Jahre ein Atelier kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Die aktuelle Stipendiatin ist die deutschfranzösische Künstlerin Aurelia Lucchesi.

Dass solche ambitionierten Vorhaben gelingen, hängt jedoch nicht allein vom Engagement der Künstler ab, sondern natürlich auch von den finanziellen Möglichkeiten, die wie überall im Kulturbetrieb nicht gerade üppiger werden. Dessen sind sich Baquet und Sadedin wohlbewusst, die deshalb auch immer an einer gesunden Verbindung zwischen Kultur und Wirtschaft interessiert sind und die zukünftig intensiviert werden soll. „Kunst & Genuss“ wäre ein Thema, zu dem den Künstlern noch zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Bereichen einfielen. Man darf also gespannt sein, was sich im Kunsthaus Troisdorf noch alles tun wird. Eines ist mit Sicherheit jetzt schon klar: langweilig wird es hier nicht, an der Mülheimer Straße 23.

Die Künstler sorgen mit ihren vielen Aktivitäten und Ideen für Bewegung. Ganz im Sinne der Bildserie von Jette Jertz „Keep on Walking“. Nichts ist dem Stillstand überlassen, sondern stets in Entwicklung und Fortbewegung begriffen. Nicht zuletzt auch wegen des sich hinter dem Kunsthaus befindlichen freien Grundstückes, das viel Platz für einen zukünftigen Skulpturenpark bieten könnte. Möglich wär’s – und diese Künstler haben schon vieles möglich gemacht.

Kunsthaus Troisdorf, Mülheimer Straße 23, 53840 Troisdorf
www.kunsthaus-troisdorf.de | info@kunsthaus-troisdorf.de
Künstler der Ateliers: Frank Baquet, Kazem Heydari, Jette Jertz, Marc Kirschvink, Rolf Mallat, Masoud Sadedin, Mirjam Wingender
Musiker der Proberäume: Sonic Heads, Dephaze, Javuz Duman und Siavosh Sadedin