DER SLOVAKISCHE INSTALLATIONSKÜNSTLER ROBERT KUNEC

Robert Kunec (geb. 1978) geht keinen einfachen Weg. Er thematisiert Fragen zu politischen und religiös motivierten Gewalttaten und sucht nach künstlerisch adäquaten Mitteln, diese nicht einfach zu visualisieren, sondern vielmehr durch Metaphern und Analogien in eine ästhetische Form zu übertragen. Seine Intention ist das buchstäbliche Begreifen weltpolitischer Geschehnisse und ihrer psychischen Auswirkungen. So spielt für ihn in diesem Kontext die Beschäftigung mit Todes- und Terrorängsten eine zentrale Rolle und führt in vielen seiner Arbeiten zu einer Übersteigerung medial multiplizierter Stereotypen. Was auf den ersten Blick als sarkastisch oder provokant gedeutet werden könnte, erweist sich als vielschichtige und behutsam gewählte Botschaft.

Die Installation „Suicide Bomber“ zeigt einen überdimensionalen Bausatz mit einzelnen menschlichen Gliedmaßen aus Fieberglas und Polyester. Diese sogenannten „Kits“ kennt man vom Modellbau, etwa den Revell-Bausätzen aus der Kindheit – jedoch mit Flugzeug- oder Schiffsbauteilen. Hier im Maßstab 1/1 führt das „Zusammenbauen“ eines Selbstmordattentäters zur Ironisierung der ursprünglich spielerischen „Bastelanleitung“. Kunec zeigt in dieser Arbeit die Parallele zwischen dem Harmlosen und zutiefst Bedrohlichen. Durch die Wahl des Materials und der Modellform verdeutlicht er die Auflösung des Individuums hinter einer übergeordneten Idee, einem Glauben, einer Religion; ebenso evoziert sie unterschwellige Ängste, die an die Vervielfältigung und jederzeitige Einsatzmöglichkeit eines solchen Kits gebunden sind. „Kunec hat anhand seines lebensgroßen, realistischen Bausatzes eines Selbstmordattentäters bildhaft die Frage gestellt, in welcher Weise das Subjekt durch ideologische Indoktrinationen bis zur freiwilligen Selbstaufgabe seiner Existenz getrieben werden kann“, so Eugen Blume, Direktor Hamburger Bahnhof – Museum der Gegenwart, Berlin,  in dem 2011 erschienenen Katalog zu Kunecs Arbeiten.

In der Installation „Dead Man 2.0“ wird diese „freiwillige Selbstaufgabe“ auf besonders eindringliche Weise verbildlicht: Blendend weiß, in geradezu anmutiger Schönheit und Verletzlichkeit liegt ein männlicher lebloser Körper auf dem Boden – ein Selbstmordattentäter. Neben ihm ist eine überdimensional große Spieluhr aufgebaut, die sich ohne Unterlass dreht. Ein umlaufender Schriftzug eines Memento Mori in Paschtunischer Sprache gemahnt an die Sterblichkeit aller Menschen. Erlösung und Vergeblichkeit, Opfermotiv und Mord.  Doch der gemeinhin dem Memento Mori anhaftende Vanitas-Gedanke läuft hier ins Leere. Die Angst vor dem Sterben und die damit verbundenene Demut im diesseitigen Leben angesichts des Todes wird ad absurdum geführt.

Durch diese Art der Herausarbeitung assoziativer und paradoxaler Ebenen ruft Kunec immer wieder existentielle Fragen hervor, die den Betrachter nachdenklich und zuweilen tiefberührt schweigen machen. Antworten werden nicht gegeben, stattdessen eigenständige Bilder vermittelt für das oftmals Unsagbare und Unbegreifliche des menschlichen Daseins.

Wir trafen Robert Kunec in den Räumen der Kölner Galerie Krupic und Kersting anlässlich seiner  Ausstellung „Act of Treason“ und sprachen mit ihm über seine Arbeiten, die so bewegende und schwierige Themen unserer Zeit aufgreifen.

„Das Sichtbare ist uns manchmal viel weiter entfernt als das Unsichtbare, da der Mensch nach dem strebt, was er nicht hat.“

Ihre Installation „Dead Man 2.0“ rief einige Kontroversen auch im Kreis der Kuratoren hervor. Inwieweit braucht es Mut, derartige Arbeiten zu zeigen?
Wenn jemand von etwas überzeugt ist, dann braucht man den Mut nicht. Als ich dieses Werk geplant und später realisiert habe, hatte ich nicht gedacht, dass diese Arbeit provozieren könnte. Leider war es der Fall. Was ich aber immer noch nicht verstehe, dass es auch kunstintern immer noch Leute gibt, die z.B. den Gekreuzigten mit einem Tuch über der Hüfte bedecken wollen, statt die Wahrheit so wie sie ist, zu zeigen. So war es auch in diesem Fall. Vielleicht war das der Anstoß, der mir damals die Augen geöffnet hat, meine Überzeugung noch gestärkt hat. Am Ende zählt, dass ich nie zu weit gehen würde, bestimmte Symbole zu verletzen und dies nicht aus Angst sondern aus Respekt.

Die Wahrheit zeigen … Welche Bedeutung hat für Sie der Begriff „Glauben“ losgelöst von Religion, im Sinne von Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit.
Was hat mehr mit dem Leben zu tun, als die Frage nach dem Glauben? Einerseits ist es etwas Besonderes, wenn wir von Überzeugung reden und auf der anderen Seite auch etwas ganz Normales – fast banal klingend – da wir heute das „Glauben“ in allem finden. Alles ist diesem untergeordnet, sogar der Alltag und sein Ablauf. Es sind nicht nur unsere Gewohnheiten, es sind Dinge die wir für richtig halten und die Bedeutung, die jedem individuellen Ego entspricht. Ein anderes Fazit ist, dass Glauben von Glaube geprägt und schwer trennbar ist, da alle Religionen darauf basieren.  Dies ist auch der Grund, warum ich mich auch mit dem Glauben in meinen Arbeiten auseinandersetze.

Ich sehe in der Kunst nur eins, die Möglichkeit zu vermitteln, eine Art Botschaft. Es ist etwas, was mich beschäftigt und das was durch Beobachtung als Ausgangspunkt der Idee hervordringt. Egal ob es als Kunst gesehen wird oder nicht, versuche ich die Augen geöffnet zu halten. Was auf einer Seite als Glaube gesehen wird, kann gleichzeitig eine festgesetzte Dogmatisierung sein, die das Frische, Lebhafte und Neue zerstört und zerschmettert. Man kann fast sagen: „nicht nur das Denken macht mich zum Menschen, sondern noch mehr, weil ich einen Glauben habe“.

Das Vermitteln von Botschaften erfordert entsprechende künstlerische Mittel. Wie kann Kunst über eine reine Visualisierung und Ästhetisierung  hinausgehen?
Das Schwierigste ist, sich einen unabhängigen Blick zu verschaffen. Man hat noch vor ein paar Jahren vom Zusammenstoß der Kulturen geredet. Was davon übrig ist, sehen wir heute. Sicher, in der Kunst spiegelt sich auch das Zeitalter, trotzdem muss die Kunst zeitlos bleiben. In der Visualisierung meiner Arbeiten gibt die Umsetzung der Idee das entsprechende Ausdrucksmittel vor. Im Grunde ist es völlig egal, welche Mittel und Technik ich verwende, wichtig ist das sie das Richtige für die Idee sind. In der Flexibilität ist der Weg, nicht in der Sturheit. Den ästhetischen Hintergrund schließe ich trotzdem nicht aus, z. B. auch so ein Alltagsgegenstand wie ein Bügeleisen kann mit kleiner Veränderung auf den Sockel gestellt werden. Ich bin überzeugt das die Ästhetik immer noch die Kunst zur ‚Kunst‘ macht und machen wird. Auch hier gibt’s Regeln an die ich mich halte. Was nicht zu vergessen ist, ist die Verwendung der Metapher,  welche genau das vereint,  was ich unter dem Begriff „Kunst“ verstehe.

Eine intensive und kontinuierliche Auseinandersetzung mit politischen und brisanten Themen ist in der aktuellen Kunst eher selten zu beobachten, obwohl doch jeden Tag die Medien darüber berichten. Soziale und gesellschaftlich relevante Themen werden hingegen häufiger gezeigt. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Vielleicht ist es gerade so, weil die Medien nur davon berichten. Dadurch wird es so oft zu einer endlosen Komikserie. Damit schafft sich die Politk die Präsenz; die sozialen Themen dagegen nicht. Sie werden unterdrückt. Es wird seltsamerweise auf der politischen Bühne darüber diskutiert, mehr nicht; nur geredet. Der Unterschied ist, dass wir das, was als Politik bezeichnet wird nicht ändern können, dagegen die sozialen Umstände schon. Trotzdem gibt es Kriege, Hunger, Armut, und daran wird noch verdient. Es ist absurd, dass ein Land Waffen in Krisenregionen verkauft und gleichzeitig dorthin Hilfsmittel und Medikamente schickt. Das, was politisch aus einem Blickwinkel betrachtet werden kann, muss nicht aus einem anderen genauso gesehen werden. Das mediale „Fast Food“ ernährt uns – die Informationen werden konsumiert.

Wenn wir aber das Gleiche von Kunst erwarten, wird sich alleine das so oft ausgequetschte „soziale Thema“ viel mehr als gewollt – als es wirklich berührt und anspricht – selbst entzünden. Was ich damit sagen möchte ist, dass solche Kunst auf einer Wand im Wohnzimmer nicht funktionieren kann. Das Sichtbare ist uns manchmal viel weiter entfernt als das Unsichtbare, da der Mensch nach dem strebt, was er nicht hat.

Politische Kunst hat es am Kunstmarkt schwer …
Das, was auf dem Kunstmarkt passiert, ist sehr überschaubar und doch komplex. Dieser Markt lebt vom Geschäft und ist, wie alles was mit Geld zu tun hat, nur eine Fassade wie in einem Western-Film. Aufgebaut in einer Wüste, die nach dem Dreh der Landschaft überlassen wird. Wenn ich eine Arbeit realisiere, denke ich nicht an deren materiellen Wert. Auch wenn meine Arbeiten konzeptuell durchdacht sind, ist diese Frage unwichtig. Ich denke mehr an die Zeit nach mir und an die Botschaft, welche ich übertragen möchte. Da steht die Frage nach dem wirklichen Wert im Vordergrund, das hat für mich die absolute Priorität … vielleicht gehe ich da leer aus, trotzdem mache ich weiter.

Weitere Informationen zum Künstler: www.robertkunec.com